90 Jahre KOHLHAGE
Wenn ein Mensch 90 Jahre alt wird, dann weiß man: Dieser Mensch hat viel erlebt in seinem Leben. Man weiß aber auch, dass Menschen mit 90 meist ruhiger werden. Wenn ein Unternehmen 90 Jahre alt wird, weiß man, auch dieses Unternehmen hat viel erlebt. Und genauso wie im Leben eines Menschen ist die Entwicklung, die ein Unternehmen im Laufe der Jahre mitgemacht hat, weniger geradlinig, sondern von Notwendigkeiten und manchmal auch von Zufällen geprägt.
Der Unterschied zum Menschen ist die Agilität und Leistungsfähigkeit, die ein Unternehmen trotz des Alters mit sich bringen kann. 50 Jahre, 90 Jahre, 120 Jahre – gerade in dieser Region gibt es Unternehmen, die sind so alt, als die gründet wurden, gab es weder Internet, noch Computer oder Autobahnen. Manchmal gab es zur Zeit der Unternehmensgründung noch nicht einmal Autos. Trotzdem sind diese Unternehmen heute gefragte Partner im Wirtschaftsprozess. Und manchen von denen sieht man deren Alter noch nicht einmal an.
Außerdem kommt bei älteren Unternehmen etwas dazu, was vielen modernen hochmotivierten StartUps fehlt. Heute geht es um die Performance, gemessen an Zahlen. Benchmarking heißt die Devise und exceltrainierte Jung-Unternehmer wollen Leistung, Leistung, Leistung. Von sich, ihren Teams und ihren Mitarbeitern. Die Perspektive dieser Unternehmer ist es oft, entweder schnell reich zu werden oder das Unternehmen zügig an einen Dritten zu verkaufen und dann reich zu sein.
Ein älteres und erfahrenes Unternehmen ist anders. Es bringt einen Erfahrungsschatz mit sich, der mit Geld nicht aufzuwiegen ist und hat Dinge erlebt, die dazu geführt haben, dass es heute so ist, wie es ist. KOHLHAGE aus Neuenrade ist solch ein Unternehmen. In diesen Tagen wird es 90 Jahre alt.
Von außen steht es gut da, dass Unternehmen mit Sitz in Neuenrade Küntrop. Ein hochmodernes Verwaltungsgebäude, das erst 2015 eingeweiht wurde und mit 1.700 qm ausreichend Platz für die nächsten Jahre bietet, ist das erste, was man sieht, wenn man sich KOHLHAGE nähert. Direkt dahinter steht eine Produktionshalle von 2012, in der mit flexiblen modularen Fertigungszellen Schweiß- und andere Baugruppen nach modernsten Produktionskriterien gefertigt werden. Und damit nicht genug: KOHLHAGE baut zur Zeit ein noch größeres Hochregallager mit angeschlossener Logistikhalle, um auch in Zukunft schnell und zuverlässig liefern zu können.
Das ist heute. Und früher? Wer hätte gedacht, dass Ernst Kohlhage, als er am 26.01.1929 ein Großhandelsunternehmen für Schrauben, Muttern und Elektromaterial gegründet hat, einmal Begründer einer Firmengruppe von vier Unternehmen mit 130 Mitarbeitern und einem Umsatz von 33 Millionen Euro sein würde?
Die ersten Jahre am Standort „Hinter der Stadt 22“ waren beschaulich. Ernst Kohlhage baute Außenläger in ganz Deutschland auf und versuchte sich ab 1944 neben dem Handel mit der Bearbeitung von Guss- und Schmiedeteilen. Das Unternehmen wuchs langsam aber stetig. Bis 1950. In dem Jahr starb der Firmengründer plötzlich und mit nur 59 Jahren auch zu früh. Erschwerend kam damals dazu, dass es im Jahr zuvor einen Fall von Veruntreuung durch einen Mitarbeiter gegeben hatte, so dass der Umsatz um 60% zurückgegangen war. Für die beiden Kinder, die Zwillinge Friedrich-Wilhelm und Ernst-Hermann, war dies eine schwere Zeit. Friedrich-Wilhelm Kohlhage beschloss damals, im Alter von gerade einmal 18 Jahren, die Schule abzubrechen und das Unternehmen weiterzuführen. Das sein Zwillingsbruder Ernst-Hermann dadurch die Chance bekam, weiter zur Schule zu gehen, später zu studieren, um danach eine beispiellose Karriere beim Automobil-Zulieferer LUK machen zu können, ist nur eine Randbemerkung. Doch sie macht deutlich, wieviel Zufall auch in der Entwicklung von KOHLHAGE steckt.
Unter der Führung von Friedrich-Wilhelm Kohlhage fand das Unternehmen in ruhigeres Fahrwasser zurück und entwickelte sich weiter. So konnte er 1953 eine Fassondreherei übernehmen und dadurch das Produktionsportfolio sowie die Kapazitäten deutlich erweitern. Das führte jedoch schnell zu Platzproblemen. Es wurde eng im Unternehmen. Deshalb wurde in mehreren Schritten bis 1967 die Produktions- und Büroflächen erweitert. 1974 hat Friedrich-Wilhelm Kohlhage dann in Küntrop, einem außerhalb Neuenrade gelegenen Vorort, eine Fläche von 22.000 qm kaufen können. Viel Platz, den er aber erst ab 1979 nutzen konnte. Das war das Jahr in dem Teile der Produktion in eine neue Produktionshalle von 1.200 qm Größe nach Küntrop umziehen konnten.
Zwei Jahreszahlen sind wichtig, wenn es darum geht, die weitere Geschichte von KOHLHAGE nachzuvollziehen: 1970 bereits gab es aus dem Unternehmen heraus erste Kontakte nach Fernost. Heute ist daraus eine eigene Unternehmung geworden, KOHLHAGE Shanghai, geleitet von einem Mitarbeiter aus Kierspe, der 2007 beschlossen hat, in China bzw. Taiwan leben zu wollen und mit seiner Familie dorthin umgesiedelt ist.
Das zweite entscheidende Jahr war 1980. In diesem Jahr ist die Fassondreherei vollständig nach Norditalien verkauft worden. Im Unternehmen hat das Kapazitäten freigemacht, so dass der Bereich Schweißtechnik deutlich und schnell ausgebaut werden konnte. Natürlich hat KOHLHAGE seit den 60iger Jahren bereits Schweißteile produziert. Jetzt aber, und das war der Quantensprung in der Unternehmensentwicklung, konnten Baugruppen produziert werden. Das diese Baugruppen immer umfangreicher wurden und KOHLHAGE heute höchst komplexe Schweißbaugruppen für die Automobilindustrie fertigt, ist eine Konsequenz dieser unternehmerischen Entscheidung.
1986 wurde KOHLHAGE aufgeteilt. Dieser Schritt war notwendig geworden, weil das Handelsgeschäft, die einstige Keimzelle, und der Produktionsbereich zu unterschiedlich geworden waren. KOHLHAGE Verbindungstechnik, so nannte sich der produzierende Teil des Unternehmens zog mit 70 Mitarbeitern vollständig nach Küntrop, während die KOHLHAGE GmbH mit 20 Mitarbeitern am alten Standort verblieben ist.
Weiterer Meilenstein in der Unternehmenshistorie war der Eintritt von Dipl. Wirtschaftsingenieur Michael Stock. Der wurde 1989 zweiter Geschäftsführer und übernahm 1997, nach dem altersbedingten Ausstieg von Friedrich-Wilhelm Kohlhage die alleinige Leitung des Unternehmens. Die Familie Kohlhage jedoch blieb dem Unternehmen auch danach verbunden, insbesondere durch die 49%ige Beteiligung an den Geschäftsanteilen.
Unter der Führung von Michael Stock wurde 1997 auch der alte Firmenstandort aufgelöst und vollständig nach Küntrop verlegt. Was dann folgte, war ein steiler Aufstieg des Unternehmens: 2000 wurde der 3-Schicht-Betrieb eingeführt, 2003 die ISO 9001 Zertifizierung vollzogen und 2010 die Zertifizierungen ISO TS 16949 und ISO 14001. Damit war das Unternehmen in der Lage, auch die extrem hohen Anforderungen, die von Seiten der Automobilindustrie gefordert wurden, zu erfüllen. Natürlich hat Michael Stock dieses Wachstum nicht allein schaffen können. Er hatte gute Unterstützer: Seit 2007 sind Sven Lehecka (GF KOHLHAGE Verbindungstechnik) und Marc Schreiber (GF KOHLHAGE Befestigungstechnik) mit an Bord und gemeinsam haben die drei das Unternehmen weiter auf- und ausgebaut.
2010 ist Herr Stock aus dem operativen Geschäft ausgestiegen. Seither ist er als Gesellschafter gemeinsam mit der Kohlhage-Familie aktiv beteiligt an der strategischen Ausrichtung. Die operative Verantwortung jedoch liegt bei den beiden Geschäftsführern Lehecka und Schreiber.
Und dann? Lehecka und Schreiber haben die beiden Unternehmen umbenannt. 2012 war das. Seither gibt es die KOHLHAGE Automotive GmbH und die KOHLHAGE Fasteners GmbH neben der Service-GmbH und der KOHLHAGE Shanghai GmbH in China. Die Gebäude, von denen Anfangs die Rede war, sind auch in den Jahren nach 2010 entstanden. Vorerst letzter Meilenstein in der Entwicklung des Tradtionsunternehmens KOHLHAGE ist die Neugründung von KOHLHAGE E-Tech im Jahr 2018. Mit dem neuen Unternehmen, innovativen Produkten und einer leistungsfähigen Mitarbeiterschaft hat das KOHLHAGE den ersten großen Schritt auf ein Geschäftsfeld gemacht, das Deutschland und die Welt in den kommenden Jahren massiv verändern wird. Die Rede ist von Elektromobilität und den Veränderungen, die damit einher gehen werden: Für die Mitarbeiter, die Kunden und auch für das Unternehmen. Und wer weiß: Vielleicht wird in der KOHLHAGE Chronik zum 100. Geburtstag stehen, dass 2018 ein besonderes Jahr für KOHLHAGE gewesen ist.